Warum im Militär grüssen?
Zitat aus der Zeitschrift Du : kulturelle Monatsschrift (1950): Der militärische Gruss - Beiträge zu einem umstrittenen Thema
"Der militärische Gruß ist ein Ausdruck für die mannigfaltigen Beziehungen zwischen Vorgesetzten und Untergebenen. Der Geist muß die Form durchdringen. Die Form kann aber auch mithelfen, den Geist zu bewahren, ja ihn zu schaffen. Wie oft wird das Verhältnis von Mensch zu Mensch aus einem momentanen Mißverstehen heraus für alle Ewigkeit vergiftet, nur weil unbeherrschte Leidenschaft die schützende Form durchbricht. Der Formzwang will dieser menschhchen Schwäche einen Damm entgegensetzen. Fruchtbare Beziehungen zwischen Vorgesetzten und Untergebenen bilden die Grundlage eines maximalen Nutzeffektes. Die Form kann als Hilfe wertvolle Dienste leisten. Falsch verstanden, schafft sie unerträgliche Distanz. Es ist eure Aufgabe als künftige Vorgesetzte, die Starrheit der Form mit dem lebendigen Geist zu erfüllen und jenes Maß zu finden, welches euch den Segen der Form erleben läßt."
Die ASMZ (1915) schreibt zum militärischen Gruss:
"Der militärische Gruß ist ein Ausdruck des soldatischen Appells gegenüber jedem Höheren im Grad. Der soldatisch empfindende Mann wird daher nicht nur die formelle Grußpflicht befolgen, sondern der Gruß ist ihm ein Bedürfnis; er freut sich, wenn er im Gruß durch frisches Auftreten, durch gerade Haltung, straffe Handbewegung, scharfen Blick, dem Vorgesetzten und aller Welt zeigen kann, wer er ist; sein Ehrgeiz treibt ihn, sieh schon durch die Art seines Grußes auszuzeichnen."
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Lösungsansatz: "Um eine Besserung der Verhältnisse herbeizuführen, ist eine viel eingehendere soldatische Beeinflussung des Einzelnen notwendig, bei der mit allem Nachdruck auf die Erschaffung einer frischen Männlichkeit hingearbeitet werden muß. Ueber die hiebei zu verwendenden Mittel geben unsere Réglemente, die Ausbildungsziele und die vom General herausgegebenen Grundsätze über das Verfahren bei der Rekrutenausbildung so klare und deutliche Weisungen, daß ein Mißverstehen ausgeschlossen sein sollte."
Ursachen des Nicht-Grüssens: u.a. "Gleichgültigkeit auch gegenüber der Wichtigkeit und Bedeutung des Grußes an sich. Gerade in der jetzigen Zeit ist die Gefahr groß, wie dem Gruß auch andern scheinbar äußerlichen Merkmalen des soldatischen Wesens nicht mehr die genügende Bedeutung beizumessen, von dem Wahn befangen, solche Dinge seien unnütze Friedensmätzchen."
Warum Offiziere keinen Einfluss nehmen? "Nichtsehen und Nichtsehen wollen. Viele Offiziere haben für das soldatische Auftreten des Mannes ein oft noch merkwürdig wenig geschärftes Auge. Schlimmer wie das Nichtsehen ist aber das Nichtsehen wollen! Man ist sich dessen bewußt, wie schlecht vielfach gegrüßt wird; um jedoch der Möglichkeit aus dem Wege zu gehen, einen Mann anhalten zu müssen, wird derselbe von vorneherein absichtlich übersehen, sobald er sich nicht zum Gruß anschickt. Sehr oft spielt auch Scheu vor der Oeffentlichkeit mit. Man scheut sich, in Gegenwart des meist rasch hinzutretenden Publikums, einen Mann anzuhalten, nach seinem Namen zu fragen und dadurch bloßzustellen, wobei man vergißt, daß durch das Nichtgrüßen die Bloßstellung der militärischen Erziehung in der scharf beobachtenden Oeffentlichkeit bereits erfolgt ist; Scheu schließlich vor den Konsequenzen, sobald der Mann den Namen nicht nennen sollte. Es kann auch Resignation vorliegen, weil man die bittere Erfahrung gemacht hat, daß Kommandostellen die Meldung über das Nichtgrüßen eines Mannes ungenügend erledigten oder als ein Sichhineinmischen in Dinge ansahen, die den Betreffenden nichts angingen, anstatt für die Meldung erkenntlich zu sein. Bisweilen dürfte auch eine übertriebene Rücksicht gegenüber Kameraden anderer Einheiten oder Waffen mitspielen. Man fürchtet, die Meldung könnte als Angeberei oder lächerliche Wichtigtuerei angesehen und übel genommen werden."
"Die Grußpflicht ist ein vorzügliches Erziehungsmittel, um den Mann auch außerdienstlich zu zwingen, aufmerksam zu sein und auf seine Haltung zu achten. Sie weckt den Mann und macht ihn regsamer und gewandter. Man kann sich einen Soldaten voller Appell gar nicht vorstellen, der in der dienstfreien Zeit achtlos an Höheren im Grad vorbeigehen soll."
"Der Gruß ist ein Gradmesser nach außen für das soldatische Wesen des einzelnen Mannes und für den Geist der Truppe, der er angehört."
Schreiben Sie uns, wofür für Sie der militärische Gruss steht?
Besten Dank an die ETH Bibliothek (http://retro.seals.ch/)
Hptm Erich Muff